Journalisten in Deutschland fordern Pressefreiheit im Gazakrieg
Rund 230 Journalisten in Deutschland haben bis Montag einen Appell für Pressefreiheit im Gazakrieg unterzeichnet, in dem sie Schutz für Journalisten in Gaza, die Aufhebung des israelischen Einreiseverbots für unabhängige internationale Berichterstatter sowie keine ungeprüfte Übernahme von Darstellungen von Kriegsparteien in der Berichterstattung fordern:
In Gaza ist die Lage für Journalist:innen aktuell gefährlicher als irgendwo sonst auf der Welt. Die Organisation »Reporter ohne Grenzen« gibt an, dass seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober und dem einsetzenden Gazakrieg 140 Medienschaffende durch die israelische Militäroffensive in Gaza getötet worden sind. (…)
Angriffe auf Pressevertreter:innen sind Kriegsverbrechen. Dennoch tötet das israelische Militär immer wieder Kolleg:innen, die durch Aufschriften an Westen und Helmen unmissverständlich als Pressevertreter:innen erkennbar waren. (…) Parallel dazu verhindert die israelische Regierung nach wie vor die unabhängige Einreise internationaler Medienvertreter:innen und schränkt so in beispielloser Weise die Pressefreiheit ein. (…)
Dennoch beziehen große Teile der deutschen Journalismusbranche zu diesen gefährlichen Entwicklungen keine Stellung. (…) Statt dessen scheinen einige deutsche Redaktionen die eklatanten Einschränkungen der Pressefreiheit schlicht als gegeben hinzunehmen. Zwar gibt es vor Ort in Israel/Palästina mehrere deutschsprachige Korrespondent:innen und lokale Journalist:innen, die einen sehr guten Job machen. Nichtsdestotrotz: Große Agenturen wie die dpa greifen in ihrer Berichterstattung immer wieder ausschließlich auf Informationen israelischer Behörden zurück. (…)
Häufig bedienen Medienschaffende sich zudem vereinfachender Erklärungsmuster, palästinensische Perspektiven kommen zu selten vor. Damit verletzen diese Redaktionen seit elf Monaten regelmäßig journalistische Prinzipien wie die Sorgfaltspflicht. (…) Indem einige deutsche Medien das Kriegsgeschehen einseitig darstellen, tragen sie zu einer Entmenschlichung der Zivilbevölkerung in Gaza bei. (…)
Als Journalist:innen, die in den deutschen Medien arbeiten, wollen wir zur Situation unserer Kolleg:innen in Gaza nicht länger schweigen. Wir wollen erst recht nicht akzeptieren, dass sie mit Unterstützung deutscher Medienschaffender ohne Nennung stichhaltiger Beweise als Terrorist:innen diffamiert und so sprichwörtlich zum Abschuss freigegeben werden. (…)
Journalist:innen, die aus einem Kriegsgebiet berichten, müssen geschützt werden. Sie dürfen unter keinen Umständen gezielt angegriffen und getötet werden. Unabhängige Berichterstatter:innen müssen in Konfliktgebiete hineingelassen werden, damit die Weltöffentlichkeit hinreichend informiert wird. Ein Staat darf kritische Journalist:innen nicht willkürlich verhaften, foltern oder verschwinden lassen.
Die Tötung von Journalist:innen und die Zerstörung journalistischer Infrastruktur in Gaza sind ein starkes Indiz dafür, dass dieser Krieg die Grenzen des Völkerrechts und der Verhältnismäßigkeit längst überschritten hat. (…) Wer unter der allgegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben noch berichtet, filmt, fotografiert, verdient unsere Anerkennung. (…)
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 09.08.2024
Tödlich für Journalisten
- 14.06.2024
Gerücht zum Al-Dschasira-Verbot
- 10.05.2024
Begrenzte Freiheit